Page 79 - Rodewischer Stadbroschüre 2024
P. 79

„Meine Stadt: Wohnen, Arbeiten, Leben und Wohlfühlen
                                                                                                                77


           Der Bäcker damals und heute






                                                             Mehl auch selbst zum Brotbacken. Alle Bäckereien besaßen
                                                             eigene Backstuben mit eingebauten Backöfen. Ursprünglich
                                                             verkauften sie ihre Backwaren aus den Backstuben heraus.
                                                             Ladeneinrichtungen wurden erst viel später üblich. Noch in
                                                             meiner Kindheit lieferte ein „Bäckerjunge“ am frühen Morgen
                                                             die Semmeln sogar bis an die Haustüren. Wer kennt das alte
                                                             Kinderlied nicht? „Backe, backe Kuchen, der Bäcker hat ge­
                                                             rufen! Wer will guten Kuchen backen, der muss haben sieben
                                                             Sachen: Eier und Salz, Zucker und Schmalz, Milch und Mehl und
                                                             Safran macht den Kuchen gehl. Der Bäcker dann Zwieback und
           ©Jack Frog/Shutterstock                           Wäre das Brot und die Semmeln, und dann auch der Kuchen
                                                             Kuchen draus bäckt, der den Kindern besonders gut schmeckt.“

                                                             nicht so bedeutungsvoll für die Menschen gewesen, hätten
           Das Handwerk der Bäcker dürfte zusammen mit dem der   nicht so viele Bäcker in unserem Heimatort ihrem Erwerb
                                                             nachgehen können. Ich zitiere aus einer „Chemnitzer Zeitung“
           Ackerbauern und der Müller wohl als Urberufe zu sehen sein.   von 1934. Dort findet sich: „Die Bäcker sind wohl die wichtigste
           Bereits im frühen Altertum wurde das Brot erwähnt. Einer   Zunft für unser menschliches Leben. Sie schaffen uns das täg­
           uralten Sage nach hatten die alten Griechen das Brotbacken   liche Brot, und so mag es uns nicht wundern, wenn ihre Spuren
           von ihrem Gott Pan erlernt. Auch bei den Phöniziern und den   bis ins sagenumwobene Altertum zurück reichen. In der Urzeit
           Römern wurde Brot gebacken.                       buk man Brot- und Kuchenteig auf flachen, stark erhitzten Stei­
           Brot galt von jeher als das wichtigste Nahrungsmittel der   nen. Man bezeichnete es als »Fladenbrot«, das von ungesäuer­
           Menschheit. Es war eine heilige Gabe. Auch bei uns galt Brot   tem Teig hergestellt wurde. … Bei uns wurde es üblich, dass mit
           über Jahrhunderte als etwas Geheiligtes. „Unser täglich Brot   Hilfe von Sauerteig ein lockeres Brot gebacken wird. Der gären­
           gib uns heute“. Inbrünstig erbaten sie sich das von Gott. Die   de Teigansatz überträgt sich auf den gesamten Teig und schafft
           Bitte an Gott um das tägliche Brot gibt davon Zeugnis wie   bis auf die Kruste eine Lockerung des gesamten Brotlaibes. Der
           wichtig den Menschen das Brot war. Und es ist auch heute   Backofen soll dem Töpferhandwerk abgeschaut worden sein.
           noch eins unserer Grundnahrungsmittel. Es gibt sogar den   Hefepilze spielten bald eine ebenso große Rolle wie der Sauer­
           „Tag des Deutschen Brotes“! Goethe lässt seinen Willhelm   teig. Später kam noch Backpulver hinzu. Dieses Gemisch setzt
           Meister sagen: „Wer nie sein Brot mit Tränen aß, wer nie in   während der Teigzubereitung oder beim Backen CO²  frei.“
           kummervollen Nächten auf seinem Bette weinend saß, der   Die Gruppe der Konditoren zweigte sich später vom Bäcker-
           kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte!“ — Ein altes Sprich-  handwerk ab. Sie bezeichneten sich einst als „Fein- oder Tor-
           wort sagt: „Ist man im Besitz von Brot, gibt es keine Not!“ Noch   tenbäcker“. Zunehmend fanden sich beide Gewerke innerhalb
           vor wenigen Jahren schnitt man ein frisches Brot erst dann   einer Bäckerei. Was hatten die Bäcker einst wenige Tage vor
           an, wenn man auf seiner Unterseite drei symbolische Kreu-  unserer Kirmes oder in der Adventzeit zu tun! Meine Oma ließ
           ze angedeutet hatte. Ich erinnere mich an die kummervollen   bis zu 20 Kirmeskuchen vom Bäcker backen. Die Bestückung
           Nachkriegsjahre ab 1945. Viele starben an „Auszehrung“. Auf   brachte sie in die Bäckerei um die Kuchen dort ofenfertig zu
           gut deutsch hieß das, sie waren verhungert. Es gab 1.500   machen. Das Weihnachts-Stollenbacken schuf wiederum
           Gramm Brot pro Kopf und Woche und sonst fast nichts!   Hochbetrieb in den Bäckereien.
           Das Gewerbe der Bäcker war noch vor knappen hundert Jah-  Heute decken Großbäckereien den Großteil des Bedarfes ab.
           ren stark verbreitet. Bis zum Ende des II. Weltkrieges gab es   Wer bäckt noch eigene Kuchen in einer Bäckerei? Wo sollte
           in unserem Heimatort 23 selbständige Bäckereien. Zusätz-  man das auch noch? Nur noch eine Bäckerei findet sich in
           lich müssen sogar noch zwei Mühlenbäckereien dazu gezählt   unserer Stadt.  (...)
           werden. Darin verwendete man das in der Mühle hergestellte   („Heimisches Handwerk“ von Siegfried Walther)  Anzeige







                                                                                                          jeden
                                                                                           Mittwoch & Freitag
                                                                                             Bäckerei &


                                                                                        Stehcafé Seidel
                                                                                      Lengenfelder Straße 54
                                                                                             08228 Rodewisch
                                                                                               g 03744 48378
   74   75   76   77   78   79   80   81   82   83   84