Page 23 - Rodewischer Stadbroschüre 2024
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„Meine Stadt: Wohnen, Arbeiten, Leben und Wohlfühlen
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           Aus dem Buch "Gruss aus Rodewisch" (2014) von Gerd Bertele & Wolfgang Schwarzer




















            Links das „Hotel Rudolph“ mit Kolonialwarenladen, in der Mitte das Textilgeschäft Christine Volk und rechts Sattler Gläser.

           Dieses Gründungsjahr der staatlichen Gerichts- und Verwal-  Ein Ausweichquartier musste her, und zwar schleunigst. So
           tungsbehörden in Sachsen 1855 wurde auch zum Geburtsjahr   kam die Gemeindeverwaltung fürs Erste im Haus 10 A der
           der politischen Gemeinde Rodewischs. Die drei zusammen-  Heil- und Pflegeanstalt Untergöltzsch unter, das Gemeinde-
           geschlossenen Gemeinden übernahmen die schon seit Jahr-  bauamt war vorläufig in der Auerbacher Straße zu erreichen.
           hunderten für Kirche und Schule üblich gewesene Bezeich-  Die Sparkasse wiederum, offiziell nannte sich das Geldins-
           nung „Rodewisch“.                                 titut damals Gemeinde-, Spar- und Girokasse, führte ihr Ge-
           Aus drei mach eins – die Rechnung ging aber noch nicht ganz   schäfte einstweilen im Neubau des „Hotels Rudolf“ an der
           auf. Bis zur Stadt fehlte der neuen Ortschaft Rodewisch wei-  Wernesgrüner Straße weiter. Natürlich war die Gemeinde,
           terhin einiges. Ein Verwaltungssitz zum Beispiel.  so kurz vorm Ziel, bemüht, dieses Provisorium so schnell wie
           Bis 1880 erledigten die Gemeindevorstände ihre Amtsge-  möglich zu beenden.
           schäfte noch in ihren Privatwohnungen. Ein angemessenes   Eine geeignete Immobilie fand sich auch bald: 1923 wurde
           Domizil gab es erst 1880, als die neue Zentralschule an der   das erst 1913 errichtete Hotel „Bergkeller“ an der Wernes-
           Schulstraße (wegen ihres Aussehens auch weiße Schule   grüner Straße erworben und zum neuen Rathaus umgebaut.
           genannt, später Berufsschule) fertig geworden war. In das   Der Vorbesitzer, der beinamputierte Gastwirt Adolf Hendel,
           alte, nun leergezogene Schulhaus zog das Gemeindeamt ein.   konnte sein Gewerbe nicht mehr ausüben.
           Was zunächst als Übergangslösung gedacht war, blieb dann   Der Verleihung der Stadtrechte stand nun nichts mehr im
           lange Zeit die Schaltzentrale der Einheitsgemeinde: Mehr   Wege. Am 8. Mai 1924 war der große Tag, aus dem Gemein-
           als 40 Jahre! Groß war das zweigeschossige Rathaus nicht,   deamt wurde das Rathaus der Stadt Rodewisch.
           zumal sich der Ortsvorstand das Gebäude mit der Sparkasse   Erst freiwillig, dann gezwungenermaßen, setzte sich das
           teilen musste. Aber es funktionierte auch unter diesen eher   Bauen am Rodewischer Verwaltungssitz in den Kriegs- und
           bescheidenen räumlichen Bedingungen ganz ordentlich, die   Nachkriegsjahren fort. Ab 1939 wurden diverse Anbauten
           damals ungefähr 10.000 Rodewischer zu verwalten.  abgebrochen, der große ehemalige Hotelsaal erweitert so-
           Womöglich wäre der Gemeinderat noch Jahre länger ein-   wie ein Flügelanbau mit weiteren Diensträumen im Oberge-
           und ausgegangen in dem Haus, wenn es dort am 23. März   schoss für die Stadtverwaltung angefügt.
           1921 nicht eine gewaltige Explosion gegeben hätte. Eine   Nach Kriegsende mussten die Beschädigungen am Gebäude
           Sprengstoff-Ladung detonierte im Untergeschoss und rich-  beseitigt werden. Das zog sich bis in die 1950er Jahre -- mit
           tete das Gebäude dermaßen zu, dass es abgerissen werden   Einschränkungen nicht nur für die Verwaltung, sondern auch
           musste. Wer der/die Bombenleger war(en), wurde nie auf-  für die Gastronomie in der Kleinstadt. Erst 1954 konnte der
           geklärt. Max Hölz persönlich jedenfalls konnte es nicht ge-  beliebte „Ratskeller“ im Hochparterre des Rathauses wie-
           wesen sein, der führte just zur selben Stunde das Wort im   dereröffnet werden. Nach der Wende umfassend renoviert
           mitteldeutschen Aufstand und mischte das Industriegebiet   -- der „Ratskeller“ wurde leider aufgegeben -- ist das Rathaus
           Mansfeld auf. Dummerweise fiel das Unglück ausgerechnet   an der Wernesgrüner Straße 32 bis heute das Zentrum des
           auf einen Zeitpunkt, an dem die Rodewischer Bemühungen   öffentlich-politischen Lebens in Rodewisch.
           um das Stadtrecht schon weit vorangeschritten waren. Doch   Quelle: Historikus — Gerd Bertele und Martina Bundszus. Sie leitete das
           eine Stadt ohne Rathaus?                                        Museum Göltzsch auf der Rodewischer Schlossinsel
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