Page 48 - Die Göltzschtaler
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46 Die Göltzschtaler Falkenstein, Ellefeld, Auerbach, Rodewisch – Die Göltzschtalregion zeigt Stärke
Geschichtliches
Ansicht Falkensteins von Südost, um 1920 | © Postkarte aus dem Archiv der Familie Müller, Buch „Villa Lohberg“
In der Ortschronik von Falkenstein geblättert :
Falkenstein – handwerkliches Können und Erfindergeist durch die Nacherfindung des französischen Jaquardwebstuhles
Die Hausweberei, das Weben für den eigenen Bedarf, aber durch Falkensteiner Weber. Der Falkensteiner Weber Christi-
auch zum Verkauf, war schon immer bodenständig in Falken- an Friedrich Lipfert, Soldat in Frankreich, machte dort die Be-
stein. Den Durchbruch erfuhr die Weberei im Vogtland und kanntschaft mit der Erfindung des Jaquardwebstuhles. In seine
damit auch in Falkenstein, als die Verarbeitung von Baumwoll- Heimatstadt zurückgekehrt, tüftelten er und der Weber Chris-
fasern als idealer Werkstoff bekannt wurde. Die Entwicklung tian August Michael an der Nacherfindung dieser Maschine.
der Baumwollweberei nahm einen rasanten Verlauf. Herge- Dies gelang ihnen 1830 und gab den Anstoß zur Gardinenwe-
stellt wurde anfänglich weiße Musseline, später ging man auch berei in Falkenstein und dem gesamten Vogtland. Lipfert und
zur Herstellung von gefärbter und gemusterte Musseline über. Michael waren demnach die ersten Weber im Vogtland, die
Falkenstein beginnt industriell aufzublühen. 1721 gründeten die auf dieser “neuen Maschine” webten.
Weber ihre Innung. (Zwanzig Jahre zuvor schlossen sich die Aus der noch immer ländlich anmutenden Stadt wurde nach
Schuster und Schneider zu einer Innung zusammen. Dieser und nach eine Weberstadt. In fast jedem der Häuschen stand
Innung folgten 1704 die Fleischer und 1739 die Innung der wenigstens ein Handwebstuhl, aufgerüstet mit dem Jaquard-
Tischler und Glaser). aufsatz. Die Stadt wuchs, der Wohlstand wurde sichtbar, reger
Die Falkensteiner Weberinnung entwickelte sich im laufe der Zuzug ließ die Einwohnerzahl im Jahre 1858 auf 4165 steigen.
Jahre zu der stärksten Innung im gesamten Vogtland. Den Fal- Der Winter 1858/1859 war hart und lang gewesen. Schnee und
kensteinerner Webern sagte man nach, dass sie Pioniere ihres Kälte machten allen zu schaffen, den Menschen und auch den
Berufstandes wären. Dass dieses Lob seine Berechtigung hat- Tiere, und jeder war froh, als endlich der Frühling in’s Land
te, beweist die Tatsache, dass Falkensteiner Weber 1764 eine einzog und gute und reichliche Ernte folgte. Die sonnendurch-
Webmaschine erfinden, auf der die gezogenen und geblümten flutenden, viel zu heißen Tage, brachten auch Trockenheit, so
Musseline besser und vor allem für einen größeren Bedarf dass das Wasser in den Stadtteichen von Tag zu Tag weniger
hergestellt werden konnten. Jahre später spezialisierten sich wurde. Es herrschte Wassermangel. Das Kalenderblatt zeigte
Falkensteiner Weber auf die Herstellung eines leichten und den 12. August 1859 an, einen Tag, den man in Falkenstein nie
dünnen Baumwollgewebes, dem Kammertuch, auch Kambrit mehr vergessen wird. Feuer in Falkenstein! Die herbeigehol-
oder Cambrai genannt. Diese “neue Ware” der Falkensteiner ten Löscheimer gingen von Hand zu Hand – nur das Wasser
Weber hatte auf Grund seiner hervorragenden Eigenschaften war knapp. Die Feuerwehr nahm den Kampf gegen das Feu-
die englische Konkurrenz überhaupt nicht zu fürchten. Fal- er auf. Die Menschenkette füllte die Kästen der Spritzen mit
kenstein bekam 1788 den ehrenvollen Beinamen ‘’Wiege des dem Wasser aus ihren Eimern. Fieberhaft eilten die Menschen
sächsischen Kammertuches’’. hin und her um genügend Wasser für die Spritzen zu haben,
Mit der Erfindung der Spinnmaschine in England konnten fei- doch alles vergebens, der “Rote Hahn” sprang auf das Dach
nere und billigere Garne hergestellt werden. Mit der Einfuhr des Wohnhauses, von da aus auf die am nächsten stehenden
der Garne in das Vogtland, stellten die Falkensteiner Weber Häuschen – die Katastrophe nahm ihren Lauf.
noch feinere Sorten ihres Kambrits her und behaupteten sich Die Bilanz des Stadtbrandes war niederschmetternd: Der ge-
damit weiter auf dem Weltmarkt. samte Stadtkern war den Flammen zum Opfer gefallen. Die
Das Jahr 1816 brachte dem gesamten Vogtland eine Mißernte. Flammen hatten 253 Familien um all ihr Hab und Gut ge-
Die Auswirkungen bekam auch unsere Stadt zu spüren. Die bracht, 1326 Menschen wurden Obdachlos. Traurig, dass auch
sich anschließende große Hungersnot, brachte Krankheit und Menschenleben zu beklagen waren.
Tod. Auch die Weberei erreichte durch die wiedererstarkte Aber schon trat die Hilfsbereitschaft der Falkensteiner in Ak-
Konkurrenz aus England einen Rückschlag. tion: Die Bewohner der vom Brand verschonten Häuser, öff-
Einen spürbaren Aufschwung nahm die Falkensteiner Weberei neten den Obdachlosen ihre Türen. Auch die Solidarität von